HUNTING THE BEAST
Als Fremder hineingeworfen in diese schöne, hässliche Stadt, diese irre Welt, mit den überquellenden Eindrücken jedes neuen Tages, ihrem wirbelnden Treiben, von dem man zunächst kein Wort versteht, fand für mich eine seltsame Entwicklung statt: hinter dem ganzen intelligenten Begreifen und Lernen, hinter der Fremde, auf einer zunächst unbeschreiblichen, tiefen Ebene, spürte ich eine Resonanz, trafen sich in mir kompatible Motive, denen ich nachgehen wollte. Was mir immer und überall wiederbegegnete: Zeichen. Vorallem die Symbolsprache der Kilim-Teppiche zog mich in ihren Bann. Ich stellte fest, daß auch mir diese Symbole etwas sagten, einige davon kamen mir bekannt vor und mir gefiel diese Art, Geschichten zu erzählen, sie einzuweben, in einem geradezu magischen Akt festzuhalten, zu materialisieren - vorallem: ohne sie mit Mitteln der Sprache zu formulieren. Einen Weg zu dieser unbestimmten Annäherung fand ich in meinen Träumen. Wie vieles in uns ist doch archaische Geschichte, alter Traum. So ist zum Beispiel die Angst vor Wölfen - ein Motiv, daß mich schon als Kind schreiend aufwachen ließ - tief verwurzelt; vielleicht Erbe meiner bäuerlichen Herkunft oder noch älter, existenzielle Grundangst. Zumindest erinnerte ich mich, daß auf dem Dachboden der Großeltern noch eine Wolfsfalle liegt, eine „Wolfsangel“ - als Symbol des Hakens. So entschied ich mich,meine ganz eigene - und gleichsam uralte, universelle Jagd auf den Wolf zu machen: ihm eine Falle zu stellen aus Traumzeichen, ihn aufzuschreiben um ihn und das drohende Unheil, daß er mit sich bringt, zu bannen.
Entstanden ist eine große Kohlezeichnung, die grafisch mit Symbolen der Kilim-Tradition diese Geschichte erzählt, „hunting the beast“. Was mir dabei erst nach und nach bewusst geworden ist, ist die Ambivalenz der Bedeutungsinhalte der Kilim-Motive. Gleichzeitig anziehend und abwehrend, heraufbeschwörend und bannend, gefährdend und schützend. So scheint mir das auch mit den Träumen zu sein.